Startseite > Artikel > Théorie communiste - Das Erdöl, die Geschlechterfrage und die Taliban (2003)

Théorie communiste - Das Erdöl, die Geschlechterfrage und die Taliban (2003)

Donnerstag 22. August 2019

Um die Ereignisse des 11. Septembers 2001 zu verstehen, muss man von vier Tatsachen ausgehen, die wir in diesem Text als vorausgesetzt betrachten: dem Ende des Kalten Krieges (natürlich); dem Verschwinden der autonomen Figur des Rentiers nach dem Golfkrieg; der Auflösung des nationalen Rahmens, sowohl was den Verwertungs- und Akkumulationsprozess des Kapitals, als auch was die Reproduktion der Arbeitskraft betrifft; der Globalisierung, nicht als quantitativer geographischer Expansionsprozess, sondern als Akkumulationsstruktur des restrukturierten Kapitals.

„Das Imperium des Chaos“ (Alain Joxe)

Man kann keine historisch-geographische Konfiguration der Reproduktion der kapitalistischen Produktionsweise in nationalen oder gar regionalen Begriffen wie zu Zeiten des „Fordismus“ analysieren und die Art von hervorgebrachten Verhältnissen zwischen Zentrum und Peripherie hat sich geändert. Indem der Rahmen der Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR verlassen worden ist, erlangen die in der Dritten Welt entstehenden Konflikte einen neuen Status, sie erlangen eine neue Besonderheit zu einem Zeitpunkt, wo sie keine eigene, autonome, regionale Bedeutung mehr haben können.

Die Invasion Kuwaits durch den Irak war die erste regionale Krise einer neuen Periode. Sie hat die USA dazu gebracht, diese Invasion mit einem sehr hohen Niveau an Konfliktbereitschaft zu behandeln, indem sie schnell alle möglichen Arrangements und Vermittlungen abgelehnt haben. Es ging darum, aus der Lösung dieser Krise eine wichtige Etappe in der Förderung einer „neuen internationalen Ordnung“ zu machen. „Mit dem Ende des internationalen bipolaren Systems ist die amerikanische Strategie nicht mehr eine Strategie des belagerten (oder erobernden) Imperiums, die sich darin erschöpfen würde, an allen Punkten des Limes präsent zu sein. Der Limes ist nun ubiquitär. Die Grenze ist nicht nur transnational, sondern transkontinental und wahrscheinlich transplanetarisch.“ [1] Die ausländischen Interventionen der USA sind nicht mehr betroffen vom überdeterminierenden Charakter, der darin bestand, „den Kommunismus einzudämmen“. Durch die Transformation des allgemeinen Charakters der Intervention konnte die Lösung der Krise für die USA über die einfache Weiterführung des Status quo hinausgehen: Aufrechterhaltung der bedingungslosen Unterstützung Israels, Weiterführung der Ungleichmässigkeiten in der regionalen Entwicklung, Unterstützung der „guten“ arabischen Staaten, Eindämmung der anderen. Obwohl die USA die Krise nicht provoziert hatten, haben sie auch nichts getan, um sie zu verhindern oder sie durch Kompromisse zu lösen.

Am Ende seines Buches [2] beschreibt Alain Joxe durch die amerikanische Politik nach dem Kalten Krieg die Modalitäten der Globalisierung, die sie implizierenden Konflikte und die Art und Weise ihrer territorialen Organisation und Herrschaft. Alain Joxe tendiert häufig dazu, die Restrukturierung des Kapitals als einen amerikanischen Willen oder eine amerikanische Strategie darzustellen, es ist falsch, das einseitig so zu präsentieren. Aber es ist genauso falsch, die Akteure immer nur als Agenten zu betrachten. Im ersten der beiden Fälle wird die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise als ein Spiel von Interessen und Kräfteverhältnissen dargestellt, im zweiten werden die allgemeinen Gesetze des Kapitals hingegen hypostasiert und in ihrer Abstraktion selbst zum Motor der Geschichte, die dann nur noch ihre Verwirklichung ist. In beiden Fällen betrachtet man die Akteure als indeterminiert, im ersten Fall ist das Gesetz nur das zufällige Resultat ihres Handelns, im zweiten sind sie nur von vom Gesetz oder Konzept manipulierte Marionetten. Wenn ich sage, „die USA wollen dies oder das“, ist mein Subjekt voll mit Determinationen bis einem schlecht wird, nicht Determinationen, welche auf es einwirken, sondern sie sind es schlicht und einfach; man würde schon eine Mehrdeutigkeit einfügen, indem man sagen würde, dass sie es definieren.

„Die NATO-Mitgliedschaft Europas verpflichtete die USA zu einem Minimum an imperialer Territorialität. Indem sie sich davon abwenden, bewegen sie sich in eine Richtung, die sie schon immer angezogen hat: In jene, welche aus ihnen die erste imperiale Weltmacht einer neuen Art machen würde; durch die endgültige Verwischung der Grenze zwischen Krieg und Frieden und jener zwischen Ordnung und Chaos [von uns unterstrichen] würden sie unverhohlen durch indirekte Strategien über ein dereguliertes und delokalisiertes globalistisches Universum herrschen. […] Es ist die mögliche Form eines über die ganze Welt herrschenden amerikanischen Imperiums. Es wird sich nicht um ein irdisches Imperium handeln, kein ‚Welt-Imperium‘, um die Terminologie Wallersteins zu übernehmen, sondern um eine neue Form eines universellen ‚Meer-Imperiums‘, das aus der Singularität der Weltwirtschaft und der kontrollierten, durch die Weltraummacht möglich gemachten Echtzeitkontrolle entstanden ist. Das Imperium des Chaos ist die absolut rationale Form, welche die Organisation der vom liberalen System des Konkurrenzmarktes beherrschten und mit modernen Waffen- und Kommunikationssystemen ausgerüsteten Weltgesellschaft annehmen muss. Es bereitet für das 21. Jahrhundert eine Welt vor, welche gänzlich auf der Gewöhnung an Ungleichheiten und Ghettos gebaut ist. […] Die Rolle der militärischen Macht im Imperium des Chaos ist es, die freie Zirkulation der Flüsse auf der gesamten Oberfläche der Erde zu erlauben, die Völker zu zwingen, nicht in ‚die internen Angelegenheiten des Marktes‘ zu intervenieren, welcher allein beauftragt ist, die Verbindungsströme und die Kerne der aufstrebenden Mächte zu bestimmen, unter der Bedingung, dass diese Kerne eher amerikanisch sind. Die Beherrschung des Planeten wird mithilfe von ‚gezielten‘ Interventionen durchgesetzt, nicht nur dank der See- und Luftmacht, sondern auch durch die Weltraummacht, die Technologiemacht: Alles in allem die Macht der Niemandsländer. Schon jetzt existiert gewissermassen nur inneres Chaos im vereinigten Imperium. […] Das Imperium des Chaos ist also eine Welt, wo der Krieg zwischen zentralen Mächten verschwunden sein könnte und wo sich die Weltgesellschaft in gewalttätigen, verschachtelten oder nebeneinanderliegenden und befestigten Untereinheiten organisieren würde, welche sowohl auf Ebene des Planeten als auch des Quartiers Erpressung und Schutzgeldeintreibung praktizieren. Keine der Organisationsebenen des geographischen Raumes (Kontinent, Staat, Region, Stadt, Quartier) hätte noch einen legitimen Anspruch auf die Herrschaft des Friedens ‚im Innern‘. […] Um zu überleben, wird man also zu den Stammessolidaritäten (Ethnie, Sprache, Religion) und ihren modernen Versionen (Mafias, Strassengangs, Sekten) zurückkehren. Diese Entwicklung ist keine Utopie. Sie zeichnet sich sichtbar vor unseren Augen ab, seit langer Zeit, in den südlichen Peripherien des kapitalistischen Systems, in unseren Vorstädten, seit kurzem in China und in der UdSSR. […] Doch diese Weigerung, sich am Boden zu engagieren, ist gleichbedeutend mit einem Verzicht auf Ordnung. Die einzige Verbindung zwischen dem militärischen Handeln, der Herrschaft und dem Aufbau einer politischen Ordnung ist seit eh und je die Eroberung. Indem sie sich von jeglicher Verpflichtung des Schlachtfeldes, der Besatzung und der Eroberung zurückziehen, ziehen sich die USA auch von jeglicher Notwendigkeit zurück, ein positives Ordnungsmodell hervorzubringen.“ [3]

Die Grenze der Analyse und der Beschreibung von Alain Joxe liegt in der Tatsache, dass er keine „Ordnung“ sieht, denn für ihn ist Ordnung nicht die Reproduktion der kapitalistischen Produktionsweise, sondern grundlegend die Demokratie, die für ihn gleichbedeutend ist mit der Gesellschaft, definiert als Verhältnis zwischen Bürgern. Die Ordnung ist das Resultat einer Staatsbürgerschaft auf einem Territorium, einer kommunitaristisch-politischen Einbringung des Individuums, nicht eines widersprüchlichen Verhältnisses zwischen Klassen. Das Interesse dieser Analyse ist hingegen, dass sie gut aufzeigt, dass, wenn man als Ausgangspunkt den globalen Charakter der internationalen Zirkulation des Kapitals setzt (d.h., wenn man diese Zirkulation nicht als Verhältnisse und Summen zwischen vorbestimmten Gebieten setzt), es aussichtslos ist und der Ausgangshypothese widerspricht, eine nationale oder regionale integrierende Reorganisation zu suchen, die in sich selbst kohärent ist. Man kann nicht von der gegenwärtigen Restrukturierung des Kapitals verlangen, eine Art der Kohärenz der kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse zu verwirklichen, die einem vergangenen Stadium angehörte. Die gegenwärtige Restrukturierung wird nicht den „Fordismus“ dort wiederbeleben, wo er existierte, und ihn noch weniger dorthin bringen, wo er nicht existierte. Sie bringt auch keine „Rückkehr zu Stammessolidaritäten“ hervor. Die gegenwärtige Situation Afghanistans beweist alles andere als das Gegenteil. Es handelt sich nicht um eine Rückkehr: Die Konturen, der Inhalt des „Stammes“, sind eine gegenwärtige Hervorbringung, natürlich kann man die Geschichte von allem und jedem schreiben und somit die Gemeinschaft als Ethnie, Stamm, religiöse Gemeinschaft und, wieso nicht, als Quartier betrachten, wie es Michel Seurat in Bezug auf Tripoli im Libanon versuchte. Schenken wir der Entstaatlichung Afghanistans eine besondere Beachtung, diesbezüglich muss ein bisschen von den Taliban in ihrem Verhältnis zur „ethnischen Spaltung“ Afghanistans gesprochen werden.

Kurze Geschichte der Ethnien

Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts hatte der Paschtune Abdur Rahman Khan Afghanistan unter der Herrschaft der Stämme des Südens vereinigt. Die kuffar werden unter Zwang konvertiert, die Hazara niedergeschlagen; Abdur Rahman Khan „beauftragt die nomadischen Paschtunen mit der Eroberung der Länder der sesshaften Tadschiken und Usbeken. Diese kontinuierliche Aufzehrung ging während der gesamten Herrschaftsperiode von Mohammed Zahir Schah weiter. […] Wie so viele Länder der Dritten Welt war Afghanistan zweigeteilt: einerseits das modernisierte und äusseren Einflüssen offene Kabul, andererseits ländliche Gebiete, die sich seit Jahrhunderten kaum verändert haben und gleich vor den Pforten der Hauptstadt begannen. Weil er sie vergessen hatte, wurde der König Amanullah Khan (1919-1929), der seiner Königin den Schleier abgenommen, den Bart, lange Haare und die traditionelle Kleidung in den Strassen Kabuls nach dem Vorbild Atatürks verboten hatte, von einem einfachen tadschikischen Räuber, Batscha-e Saqqao, dem ‚Sohn des Wasserträgers‘, von seinem Thron verjagt, dieser wurde danach ebenfalls ermordet. Mohammed Nadir Schah (Vater von Mohammed Zahir Schah) erleidet 1933 das gleiche Schicksal.“ [4] Mohammed Zahir Schah zieht daraus den Schluss, dass vorsichtig reformiert werden muss, doch diese Vorsicht „verstärkte nur die Wut der Mullahs, Vorgänger der islamistischsten Anführer der Mudjahedin und der Taliban, ohne die Frustration der urbanen Linken zu besänftigen, unterbezahlte Armeeangehörige und Funktionäre, arbeitslose Studenten, künftige Gegner in gnadenlosen Gefechten“ [5].

„Gegen 1910 schafft der König Habibullah Khan mit dem Ziel der Schwächung der feudalen Anführer die Leibeigenschaft ab, ohne an den Herrschaftsverhältnissen etwas zu ändern. Die neuen landwirtschaftlichen Arbeiter verdienen nicht genug, um sich zu ernähren; und ihre unzufriedenen Vorgesetzten erhalten als Kompensation die Anerkennung der Eigentumsurkunden. Doch diese Massnahme hindert die Nomaden an freier Wanderschaft und zerstört die saisonale wirtschaftliche Komplementarität zwischen Nomaden und Bauern. […] Da keine Register existieren, erhebt der Staat willkürliche Steuern, welche die ärmsten Bauern in den 1950er Jahren nicht mehr bezahlen können. Die zu 85% rurale afghanische Wirtschaft gerät aus dem Lot. Die Nahrungsmittelproduktion sinkt, gleichzeitig steigt die urbane Nachfrage. Das Land importiert 1949 plötzlich Getreide. In Anbetracht der Unterernährung empfehlen die Experten rentablen Anbau, z.B. Baumwolle, um Devisen zu erlangen und Getreide kaufen zu können, statt es anzubauen. Es war die Epoche der Planwirtschaft und das Land versucht sich darin, immer noch ohne jegliche Daten. Die ausländischen Entwicklungshelfer arbeiten ohne Koordination. Sie werfen dem Volk seinen Traditionalismus vor, doch nur die Tradition erlaubt es, in den Bergen oder der Wüste zu leben. Aber es wird um jeden Preis modernisiert. Nach 75 Jahren Anstrengung waren auf dem Land in den 1980er Jahren weniger als ein Viertel der Transaktionen monetarisiert. Die von den Kommunisten 1978 gewollte Landreform scheitert, da kein Grundbuch existiert. Die blinde Willkür des Regimes führt zu einer spontanen Rebellion mithilfe von Schaufeln und Hacken. Dann fällt die UdSSR in Afghanistan ein. Darauf folgt der Krieg und diverse Nichtregierungsorganisationen, die manchmal eine militärische Ausbildung zu Verfügung stellen, aber auf alle Fälle Geld, Medikamente und Macht.“ [6] Der Autor erwähnt die grosse Hungersnot von 1971-1972 (mindestens 100‘000 Tote) als Resultat einer „aus dem Lot geratenen“ Landwirtschaft nicht. Diese grosse Hungersnot zeigt jedoch, dass es nicht die Versuche der „Modernisierung“ an sich sind, welche dazu führen, dass die Landwirtschaft „aus dem Lot gerät“, sondern die widersprüchliche „Modernisierung“ zugunsten eines traditionellen gesellschaftlichen Rahmens. Während der Hungersnot wurde die Verteilung von 500‘000 Tonnen Getreide der internationalen Hilfe im Rahmen eines Programms Fronarbeit gegen Nahrung organisiert, die Abmachung wurde allerdings selten eingehalten, da die arbabs (Grundherren) und die Funktionäre alles in ihre Taschen gesteckt hatten.

„Das Land wird brutal mit der Marktwirtschaft konfrontiert. Der Zufluss von Dollars zur Bezahlung der Ausgaben der Nichtregierungsorganisationen ruft neue Bedürfnisse hervor, welche den Mohnanbau begünstigen. Söldner kaufen das Getreide der Nahrungshilfe, um es den Bauern zu bringen und ihnen denselben zu empfehlen. Die Mohnproduktion steigt von 500 Kilogramm auf 5‘000 Tonnen in 15 Jahren.“ [7] In Zentralasien und Afghanistan hat der Zusammenbruch der UdSSR die Zerstörung der traditionellen gesellschaftlichen Formen beschleunigt, die sowjetische Macht hatte sie bemerkenswert integriert (oder umgekehrt: sie hatten sich bemerkenswert in die sowjetischen politischen und wirtschaftlichen Machtformen integriert). Diese Republiken haben keinen grossen Nationalismus zum Zeitpunkt des „Zusammenbruchs des Imperiums“ gezeigt (und den Prognosen von Carrère d‘Encausse somit widersprochen).

Jegliches ethnische Gleichgewicht Afghanistans ist durch den Krieg gegen die Sowjets modifiziert worden. Die ethnischen Spaltungen sind relativ neu, während dem Krieg bilden die Tadschiken, Usbeken und Hazara zum ersten Mal politisch-militärische Organisationen. Zuvor definierten sich die Leute im Pandjir-Tal (die Hochburg Massouds) nie als Tadschiken. Der Krieg hat die ethnischen Identitäten polarisiert und erstarrt. Der Krieg fabriziert Ethnie, eine Ethnie, die ausserhalb ihres Kontexts nicht existiert. „Die schiitischen Hazara werden im Iran gleich behandelt wie die sunnitischen Paschtunen, d.h. als Ausländer, die man loswerden muss. Das gleiche gilt für die Usbeken. Die afghanischen Usbeken bekommen fast nie die usbekische Nationalität, wenn sie nach Usbekistan ziehen. In Tat und Wahrheit werden diese Afghanen, welche sich in Afghanistan zunehmend bekämpfen, wieder ihrer afghanischen Identität zugewiesen, sobald sie ihr Land verlassen.“ [8]

In seinem Text „Exil, relations interethniques et identité dans la crise afghane“ [9] verteidigt Pierre Centlivres die These einer Verschleierung des ethnischen Problems; eine Verschleierung, die vor den 1980er Jahren möglich war. Doch, obwohl „die ethnische Pluralität ein Tabuthema war“, betont Centlivres, dass „die als ethnische Gruppen oder jüngst als Nationalitäten bezeichneten Einheiten disparat und heterogen sind“ und dass keine davon definierte territoriale Grundlagen hat. Die ethnische Frage hat sich erst mit dem Versuch gestellt, zur Zeit Abdur Rahman Khans einen Nationalstaat zu konstituieren, „die von ihm erträumte vereinigte Nation ist in Wirklichkeit in diverse Nationalitäten geteilt“ (ein ähnliches Phänomen in Bezug auf Afrika zur Zeit der Kolonialisierung wird im kollektiven, von de Chrétien und Prunier bei Khartala herausgegebenen Werk Les Ethnies ont une histoire analysiert). Die Fixierung auf die Ethnizität ist in Afghanistan eine Konstruktion im Rahmen des Versuches, einen Nationalstaat aufzubauen, wobei die „Paschtunisierung“ des Landes eines der erklärten Ziele war. Dieser Versuch hat die ehemals labile und heterogene „Ethnizität“ zugunsten einer fixen Definition im Rahmen der gemeinsamen Beteiligung am „afghanischen Nationalstaat“ verschleiert. Diese konstituierende Fixierung ist mit dem Zerfall jenes Staates, welche die Bevölkerung zwingt, sich innerhalb dieses Rahmens zu definieren, zum Inhalt und zum Ziel politischer Aspirationen geworden, nicht nur in Afghanistan selbst, sondern allen voran im Exil, hauptsächlich in den Flüchtlingslagern. Die im Versuch der Gründung eines Nationalstaates verschleierte Ethnizität ist allen voran jene, welche zuvor existierte und verschwindet, und v.a. jene Ethnizität, welche dieser Versuch hervorbringt und auf welcher er teilweise beruht. Ethnische Fluidität und Interaktion (häufig von Konflikten geprägt) werden in eine fixe Zuweisung verwandelt und die Kräfteverhältnisse schliessen die Interaktion aus. Die aus dem Zerfall des Staates resultierende ethnische Zuweisung führt dazu, dass die Afghanen, v.a. im Exil, unter einer doppelten Knute leben: politisch gemäss dieser Zuweisung (ihrer Stellung im afghanischen „Staat“) und alltäglich in Bezug auf das Überleben. „Im alltäglichen Leben ist der Rückzug eng mit dem qawm verbunden, der in der Regel als zuweisend für jegliche Zugehörigkeitsgruppe definiert wird, im Gegensatz zu dem, was ausserhalb von ihr ist, vom Quartier bis zur Abstammung. […] Durch deren Vermittlung kommen die Flüchtlinge in den grossen Städten mit dem Arbeitsmarkt und den Arbeitgebern in Kontakt, aber auch durch persönliche Netzwerke, die eng mit dem qawm und dem Quartier verbunden sind. Deshalb sieht man in den Kohleminen rund um Quetta, in den Ziegeleien Peschawars oder den Streichholz- oder Seifenfabriken in Karachi Teams von Arbeitern aus dem gleichen Dorf oder der gleichen ethnischen Unterteilung.“ [10] Diese Einheit ist infraethnisch in jenem Sinne, als dass die Ethnie nun eine politische Zuweisung darstellt. „Man sieht also, dass man zwischen der konkreten, auf dem qawm basierenden Ebene der Praktiken und jener der Referenzen und dem Machtstreben unterscheiden muss.“ [11]

Die Taliban sind das Ergebnis einer gesellschaftlichen Transformation während des Krieges gegen die Sowjets. Sie entstammen nicht den Aristokratien der Stämme. Wie der talentierte Motorradfahrer Mullah Omar entstammen sie armen Bauernfamilien, die sich in den Flüchtlingslagern begegnet sind. Es ist bezeichnend, dass die Hervorbringung ethnischer Identitäten simultan zur Destrukturierung der alten Gesellschaft stattfindet. „Die Taliban stellen eine Herausforderung für die traditionellen Stammesstrukturen dar.“ [12] In den Verhandlungen mit den Taliban vor dem 11. September war das einzige Ziel der USA die Auslieferung Bin Ladens, denn was die Taliban in Afghanistan repräsentieren, ist absolut „modern“. Deshalb konnte es zu einer Begegnung zwischen Bin Laden und den Taliban kommen. „Die Taliban verkörpern einen besonderen Widerspruch: Sie sind weder traditionalistische Stammesangehörige, obwohl sie diesen Netzwerken entstammen, noch paschtunische Nationalisten, obwohl sie mehrheitlich dieser die Macht repräsentierenden Ethnie angehören, oder revolutionäre Aktivisten des Islams, sondern Anhänger einer grotesken Bigotterie mit messianischer Dimension. Bisweilen kommt es zu Überraschungen. Im Namen der heiligen Prinzipien des Islams hat Mullah Omar, während er gleichzeitig eine beispiellose Repression gegen die Frauen institutionalisierte, Massnahmen getroffen, die es den paschtunischen Ehefrauen erlaubten, nicht mehr vom Paschtunwali abhängig zu sein, dem unerbittlichen Ehrenkodex des Stammes. Ein Dekret verbietet nun alte Praktiken wie z.B. die Verpflichtung für eine Witwe, einen Schwager zu heiraten, oder die ‚Gabe‘ von Frauen, um eine lange Vendetta nach einem Mord zu verhindern… Das gleiche gilt für Erbfragen. In Afghanistan erben die Frauen gemäss Gewohnheitsrecht nichts. Da die Scharia verpflichtet, haben sie nun das Recht auf einen halben Anteil.“ [13]

Eine globale Abtrennung

Was als regionale oder nationale Destrukturierung (Entstaatlichung) analysiert wird, bekommt ihre Bedeutung durch eine andere globale Kohärenz im Rahmen der allgemeinen Restrukturierung der kapitalistischen Produktionsweise und sie ist definitorisch davon. Das Problem bestünde darin, theoretisch den Status der Schnittstellen zwischen mehr oder weniger dichten produktiven Fokussierungen des globalen Zyklus des Kapitals und dem zu definieren, was man als Ränder, Stämme oder Ghettos, Schattenwirtschaft, diverse Mafias, Kleptokratien, Offshore-Finanzzentren beschreibt. Die Neuheit liegt in der Tatsache, dass es sich nicht mehr um eine Artikulation zwischen der kapitalistischen Produktionsweise und anderen Produktionsweisen handelt, obwohl letztere nur in Bezug auf erstere bedeutend waren, sondern um eine globale hierarchische Verbreitung der kapitalistischen Produktionsweise, die global als Totalität gesetzt wird. Der globale Zyklus des Kapitals kann nicht mehr als Artikulation beschrieben werden, eher als Verbreitung. Man kann auch insofern nicht mehr von Enklaven oder Entwicklung je nach Enklaven sprechen, als dass in einer dualistischen Gesellschaft mit Schattenwirtschaften, Ghettos oder Ethnien die gesamte Gesellschaft für und durch diese Enklaven funktioniert, mag es auch nur zur Bezahlung irgendeines unproduktiven pharaonischen Projekts sein.

In dieser Situation der Überwindung der nationalen und regionalen Integrationen verliert die sich mehr oder weniger in einem begrenzten Gebiet abspielende Reproduktion des Kapitals diesen Rahmen der Referenzen und der Kohärenz. Der Staat garantierte ihre Kohärenz in jenem Sinne, als dass er vom herrschenden Pol der gegenseitigen Verstrickung zwischen Proletariat und Kapital ausgeht (jenem, welcher den anderen subsumiert), er war der Garant derselben, man nennt es die Garantie des „sozialen Kompromisses“. Das grundlegende konzeptuelle Prinzip dieses Kohärenzverlustes liegt in der Spaltung zwischen dem Verwertungsprozess des Kapitals und der Reproduktion der Arbeitskraft. Die Begriffe Parallel- oder Schattenwirtschaften sind oberflächlich insofern, als dass sie sich nur auf den juristischen Charakter der (deklarierten oder nicht deklarierten) Tätigkeit, auf ihre Grösse und ihren unmittelbaren Markt beziehen, sie erklären nicht die Ursprünge dieses „Schattens“ und des viel umfassenderen Charakters des Phänomens.

Die Verwertung des Kapitals entwischt „nach oben“, in Anteilen oder Segmenten des globalen Zyklus desselben, auf der Ebene der Investitionen, des Produktionsprozesses, der Anleihen, des Marktes, der Zirkulation des Mehrwerts, der Gewinngemeinschaften, des auf der Konkurrenz basierenden Rahmens. Die Länder des Maghreb werden immer abhängiger von der europäischen Gesamtheit, der Mittlere Osten hingegen von der amerikanischen oder japanischen, Zentralasien von einem Triumvirat aus den USA, Russland und China bestehend, jüngst dominiert von ersteren. Xinjiang hat für Peking eine vitale Stellung: Reservevorrat an Treibstoffen und darüber hinaus geplante Plattform einer „Seidenstrasse“, die China zur Garantie einer strategischen Tiefe in Zentralasien wiederbeleben möchte.

Die Reproduktion der Arbeitskraft entwischt „nach unten“: Selbstversorgung, lokale Solidaritäten, Parallelwirtschaften, was einen Einfluss auf den alten sozialen Zusammenhalt hat, indem dem religiösen Bereich neue Bedeutungen des Zusammenseins verleiht werden. Parallel dazu zerfallen der zentrale nationale Rahmen und die Rolle des Staates. Die Interventionen, z.B. in den Philippinen, haben u.a. zum Ziel, jegliche nationale oder regionale Verständigung zu torpedieren, wie schon der Golfkrieg. In den Philippinen hatte die Zentralregierung vor kurzem ein Waffenstillstandsabkommen mit der Islamischen Befreiungsfront der Moros in Mindanao unterzeichnet. Sei es mit der Politik der Protektorate (Kosovo, Mazedonien, Osttimor, Kambodscha und jetzt Afghanistan), den Politiken der Renationalisierung (nation building) oder der Sabotage jeglicher nationalen Wiederverständigung, es geht darum, einerseits die Reproduktion und Zirkulation des Kapitals und andererseits die Reproduktion und Zirkulation der Arbeitskraft voneinander zu trennen. Die Reproduktion des Kapitals und seine Akkumulation in Pakistan oder den Philippinen sind selbst nicht verbunden mit der Reproduktion der pakistanischen oder philippinischen Arbeitskraft (das ist einer der Gründe für die „Deislamisierung“ des pakistanischen Staates). In einer derartigen „neuen Weltordnung“ ist, wie wir sehen werden, die Frage der Unterscheidung zwischen Kriegs- und Polizeioperationen nicht mehr wirklich relevant.

Die Niederlage des Rentiers und die Sezession

Für Bin Laden, Al-Qaida und die Taliban resultiert die Opposition gegen die USA aus dem total utopischen Willen, eine riesige, vom globalen Kapital sezessionistische Zone vom Roten Meer bis nach Indonesien zu erschaffen. Das erste bedeutende Al-Qaida zugeschriebene Attentat geschieht, als sich die amerikanische Gaspipeline durch Afghanistan präzisiert. „Die Attentate am 7. August 1998 gegen die amerikanischen Botschaften in Nairobi und Dar-es-Salam waren der Anfang vom Ende der Gaspipeline. Am 21. August verkündigte Unocal offiziell, alle Aktivitäten bezüglich des Projekts der Gaspipeline in Afghanistan einzustellen. Am gleichen Tag bombardierte die amerikanische Luftwaffe mutmasslich terroristische Ziele in Afghanistan und im Sudan. […] Das turkmenische Gas wird auf den Frieden warten müssen.“ [14] Allerdings war im Januar 1998 ein Abkommen mit den 1996 an die Macht gekommenen Taliban unterzeichnet worden, das Regime der Taliban hatte damals noch gute Presse in den USA. Ein Friedensabkommen in Afghanistan hätte die Öffnung Zentralasiens gegenüber der Welt erlaubt (und wird sie erlauben), abseits des exklusiven Konfliktes mit Russland.

Ein solch „sezessionistischer“ Wille hat nur durch die kapitalistische Entwicklung der letzten 25 Jahre entstehen können. Die Reichtümer sollen den Muslimen, den Einheimischen von Nutzen sein! „Der Zusammenbruch der Sowjetunion haben die USA hochmütiger gemacht und sie haben angefangen, sich als die Chefs dieser Welt zu betrachten, indem sie das aufbauen, was sie eine neue Weltordnung nennen. […] Sie wollen unsere Länder besetzen, unsere Rohstoffe stehlen, ihre Vertreter als unsere Anführer durchsetzen […] und sie wollen, dass wir damit einverstanden sind.“ [15] Ein solches „Sezessionsprojekt“ hat erst nach dem Krieg in Kuwait einen Sinn bekommen, seine Wurzel ist die saudische Niederlage, welche der Golfkrieg war: Die Bedeutung der Saudi-Araber ist alles andere als konjunkturell und überschneidet sich sogar mit den Ambivalenzen der offiziellen saudischen Positionen.

Die Tatsache, dass der Jemen befürchtet, das nächste Ziel einer amerikanischen Intervention zu sein (Herkunftsland sehr vieler Kämpfer im Netzwerk Bin Ladens), zeigt (neben den spezifischen, durch die Wiedervereinigung des Jemens aufgeworfenen Fragen), dass das Zentrum von Bin Ladens Aktivität nicht Zentralasien oder Afghanistan ist, sondern die Arabische Halbinsel. Nicht, dass es sich um ein nationales saudisches Ziel handeln würde, doch es kann insofern nicht die geringste Glaubwürdigkeit für ein sezessionistisches Projekt existieren, als dass die Finanz- und Ölmacht Saudi-Arabiens nicht daran beteiligt ist. Wenn Saudi-Arabien der Kern des Projekts bleibt, so auch als Resultat der Zeit nach dem Golfkrieg, die Zeit der Niederlage der autonomen Figur des Rentiers und die Einführung der Rente in den allgemeinen Ausgleich der Profitrate. Das sezessionistische Projekt ist grösstenteils ein Produkt der aktuellen Situation des Landes, es gründet auf seinem inneren Zusammenbruch, seiner Implosion.

Die Probleme der Rentenökonomie sind allseits bekannt: Von Anfang an zirkuliert der Wert als Einkommen und nicht als Kapital; Entwertung produktiver Tätigkeiten; Steigerung der Abhängigkeit; jegliche produktive Tätigkeit wird nicht an ihrer Fähigkeit zur Mehrwertschöpfung gemessen, sondern an jener, sich zusätzlichen, schon bestehenden Wert anzueignen. [16] „Die Saudi-Araber müssen beginnen, zu arbeiten“, erklärt der Prinz Abdallah im Dezember 1998. In 20 Jahren ist das BIP per Einwohner von 16‘500 $ 1981 auf 6000 $ 2000 gefallen. Ein Rückgang, dessen Ursachen sowohl der tiefe Erdölpreis als auch das Bevölkerungswachstum von 9 auf 22 Millionen im gleichen Zeitraum sind. Der Rentierstaat hat den die herrschende Klasse mit ihren Untertanen verbindenden „Pakt“ gebrochen: die politische Gefügigkeit im Austausch für die Garantien des Sozialstaates. Die meisten saudischen Angestellten sind in der Tat im öffentlichen Sektor angestellt, wir sprechen hier nicht von der importierten Arbeitskraft. „Doch der Staat, der sich gegenüber dem Weltwährungsfonds und der WTO bezüglich Reformen engagiert hat, hat nicht mehr die Mittel, um den Neuankömmlingen im Arbeitsmarkt eine Anstellung zu bieten, das betrifft etwa 100‘000 Hochschulabgänger pro Jahr. Die weitgehend von Bestellungen des öffentlichen Sektors abhängige Privatwirtschaft hat nicht genügend Arbeitsplätze für alle von ihnen. Alles in allem absorbiert die Wirtschaft nur die Hälfte davon. Die auf 25-30% geschätzte Arbeitslosigkeit der aktiven männlichen Bevölkerung ist die Ursache für eine Unzufriedenheit, dank welcher der islamische Protest ziemlich problemlos rekrutieren kann; das Ressentiment gegenüber eingewanderten, in der Regel aus Asien stammenden Arbeitern ist gross, es ist jedoch weit davon entfernt, jene Animosität zu erreichen, die gegenüber Personal aus dem Westen allgemein und Amerikanern im Besonderen gehegt wird, genährt durch die permanente Präsenz von 20‘000 Amerikanern, wovon mehr als 5‘000 Soldaten sind. Die Ansicht, dass diese Präsenz ein Sakrileg ist, wird von allen Saudi-Arabern geteilt, bis hinein in die herrschende Familie. Die Unverblümtheit, mit welcher die amerikanischen Regierungen Saudi-Arabien wirtschaftlich für seine guten Dienste 1991 unter Druck gesetzt haben, wird als Erpressung betrachtet. In Saudi-Arabien ist die Verteilung der Rente ein zentraler Streitgegenstand, doch die Grenzen des Systems zeigen sich mit der immer stärker werdenden islamistischen Opposition. Diese organisierte Opposition gegen die amerikanische Präsenz ist verantwortlich für zwei Attentate gegen die amerikanischen Truppen 1995 und 1996. Zudem gibt sie der Opposition der Stämme des Südens gegen die Macht der Saud eine neue Aktualität [die Stämme des Nordens teilen sich die Reichtümer des Landes].“ [17]

Was Bin Laden repräsentiert, kann man nicht verstehen, wenn man sich nicht auf den Krieg in Kuwait und die Krise der Rentenökonomien bezieht: das Verschwinden der autonomen Figur des Rentiers. Den Coup von Saddam wiederholen, aber ohne den Nationalismus. Die Schlacht um Pipelines, wovon die Taliban und Al-Qaida Akteure sind, hat eine ganz andere Dimension denn jene eines einfachen interkapitalistischen Konflikts, sie ist auch und allen voran ein Konflikt, deren Ausgang eine Determinierung eines Stadiums der Geschichte des Kapitalismus darstellt (letztendlich wie alle interkapitalistischen Konflikte): die Erklärung der neuen, durch den Golfkrieg geschaffenen Situation für rechtsgültig.

Bin Laden ist nicht ein neuer Saddam, sein Ziel und seine Daseinsberechtigung ist nicht der Nationalismus, sondern eine Sezession innerhalb der Globalisierung, die nur zur Stornierung dieser Niederlage führen könnte. Die Wende Bin Ladens gegen seinen Schöpfer ist das Produkt des Endes des Kalten Krieges als allgemeiner Rahmen und der Nachkriegszeit in Bezug auf Kuwait als determinierende besondere Situation. Die Begriffe „Schöpfer“ und „Geschöpf“ kaschieren in Tat und Wahrheit die Wirklichkeit: Die Amerikaner formten eine Kraft in ihrem Dienst, ausgehend von existierendem Material in den bestehenden gesellschaftlichen Bedingungen, die „Wende“ erinnert somit etwas weniger an „Frankenstein“.

Das Ereignis des 11. Septembers ist sehr wohl Teil einer Beziehung zwischen Staaten und eines wirtschaftlichen Feilschens. Nachdem George W. Bush an die Macht gekommen ist, werden die Verhandlungen mit den Taliban energisch neu lanciert, um die Erwartungen der amerikanischen Ölfirmen nicht zu enttäuschen. Man musste aus dem „grossen Spiel“ aussteigen, das in Tat und Wahrheit seit dem 19. Jahrhundert ein Nullsummenspiel war, der von den Amerikanern erwartete totale Sieg der Taliban erweist sich ab 1998 als unmöglich. Amerikaner und Pakistaner einerseits, Russen, Iraner und Inder andererseits neutralisieren sich gegenseitig. Um Zentralasien zu öffnen, müssen die Taliban zu Verhandlungen gebracht und die Regierung Afghanistans für die Nordallianz geöffnet werden, das ist das Ziel des amerikanischen Drucks ab 1998, er intensiviert sich mit der Wiederwahl George W. Bushs. Dafür müssen sich die Taliban von Bin Laden und Al-Qaida lossagen. Die berühmte Pipeline konnte nur mit der Vollendung dieser Öffnung und dieser Lossagung Realität werden. Etliche Dokumente und Bezeugungen zeigen, dass die Drohungen und Erpressungen gegenüber den Taliban während des ganzen Jahres 2001 präzis waren [18]. „Bin Laden hatte keine Schwierigkeiten, Mullah Omar davon zu überzeugen, dass er, sollte er ihn fallen lassen, danach auch zermalmt würde. Im Sommer 2001 folgerten die Taliban richtiger- oder fälschlicherweise, dass eine schwere militärische Operation gegen sie in Vorbereitung ist. Einmal mehr hatte Bin Laden keine Schwierigkeiten, sie davon zu überzeugen, dass es unter diesen Umständen besser war, zuerst zu schiessen. […] Das bleibt eine Spekulation, auf wirklichen Indizien basierend. Sie hat den Vorteil, eine politische Kohärenz für jenes Räderwerk zu bieten, das mit dem 11. September im Unvorstellbaren kulminiert ist.“ Es ist nutzlos, die Details der Verhandlungen über die berühmte Gaspipeline anzusprechen, die das turkmenische Gas via Afghanistan bis zum Indischen Ozean bringen sollte (die ganze Geschichte ist allseits bekannt, Hamid Karzai arbeitete sogar als Berater für Unocal). Was dabei interessanter ist, ist die Unnachgiebigkeit der Taliban in denselben gegenüber der UNO und den USA. Die Weigerung, Bin Laden „fallen zu lassen“ (sollte das möglich gewesen sein) war gleichbedeutend mit der Opposition gegen jegliches innere afghanische Abkommen. Pakistan hatte mit einem solchen Abkommen am meisten zu verlieren, die Unnachgiebigkeit der Taliban ergibt sich daraus. Für Pakistan und die Taliban konnte die amerikanische militärische Drohung gegenüber der Verweigerung jeglichen Abkommens mit der Nordallianz und den Usbeken durchkreuzt werden.

Im Rahmen dieses Feilschens war das, was im Nachhinein als „falsches strategisches Kalkül“ erscheint, nicht im Vorhinein sinnentleert. Die Ermordung Massouds war gleichbedeutend mit der Schwächung der Nordallianz und sollten sich die USA trotzdem auf sie stützen wollen, würden sie mit der Opposition Pakistans konfrontiert sein, das eine Zerschlagung der Macht der Taliban nie akzeptieren würde. Russland, in Opposition zu den USA bezüglich der unilateralen Ablehnung der Atomabkommen, würde nicht zu einer Zusammenarbeit bereit sein. Die USA würden dazu verurteilt sein, von weit entfernt ineffizient zu bombardieren. Doch Pakistan hat sich für den Kaschmir, die Rivalität mit Indien, die Akzeptierung seiner Atombombe, die teilweise Streichung seiner Schuld entschieden und Putin dafür, eine Kröte zu schlucken und die Tschetschenen ein bisschen mehr zu massakrieren, danach die Georgier.

Vom Islamismus zu Al-Qaida

Der religiöse Charakter des sezessionistischen Projektes war nicht absolut notwendig, doch er ist eine dafür verständliche Formgebung und ein verständlicher Inhalt. Das Sezessionsprojekt ist von Natur aus interklassistisch, es mobilisiert „die Massen“, die nicht von der intensiven Kapitalisierung profitiert haben, Fraktionen der von der Rente profitierenden „Ölaristokratie“ gegen jene, welche sich „den Ungläubigen verkauft haben“, die von der kapitalistischen Globalisierung niedergewalzten Mittelklassen; es wird gerechtfertigt durch das höhere Interesse der muslimischen Welt, die all ihre Mitglieder und gesellschaftlichen Kategorien umfasst und übersteigt. Der Islam ersetzt hier den anti-imperialistischen Nationalismus, der mit der allgemeinen Niederlage des ehemaligen Kampfzyklus obsolet geworden ist.

Trotz dem Anschein ist die Verwirklichung eines derartigen Projekts in sich selbst eine Disziplinierung der proletarisierten Massen (man kann in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen in Anbetracht der Modalitäten des Arbeitszwanges und der Ausbeutung von Disziplinierung sprechen). Sind die Dinge einmal auf den Punkt gebracht, d.h. die Hierarchie der Determinierungen zwischen der globalen Reproduktion des Kapitals und der lokalen Reproduktion der Arbeitskraft (durch Gewalt, falls notwendig), ist es möglich, zu einer Verständigung zwischen dem Islamismus und „dem grossen amerikanischen Satan“ zu kommen, man sieht das schon in Pakistan und im Sudan. Der Islamismus entwickelt sich auf der Grundlage eines auf allen Ebenen besiegten Proletariats: in seinen unmittelbaren Kämpfen; in den grossen Krawallen gegen den Weltwährungsfonds in den 1980er Jahren und Anfang der 1990er Jahre; in den nationalistischen Programmen selbstzentrierter Entwicklung. Die Islamisierung des Klassenkampfes ist das Resultat eines geschlagenen Proletariats. Die religiöse Form entwickelt sich auf der Grundlage traditioneller Strukturen, die durch das langfristig unerträgliche Verhältnis zwischen den beiden Aspekten des doppelten Lebens des Proletariers in den jüngst industrialisierten und abhängigen (nicht endogenen) Gebieten zerschlagen worden sind: Eine enorme Diskrepanz zwischen der Industrialisierung einerseits und der Lebensweise und der Reproduktion der Arbeitskraft andererseits, die auf absolute Art und Weise nicht als freie Arbeitskraft bezeichnet werden kann. Die Fabrik, wie es Serge Latouche in Die Verwestlichung der Welt formuliert, scheitert daran, als „Haus der Kultur“ zu funktionieren. Das Scheitern dieser Strukturen zusammen mit der in den 1980er und 1990er Jahren definitiven Niederlage der Kämpfe lassen dem religiösen Verhältnis diesen Platz: isoliertes Individuum – Universalität. Das Kapital kann in diesem Fall nichts anders tun, als eine andere Gemeinschaft neben der seinen zu akzeptieren.

Nach der ersten Phase der „Muslimbrüder“ ab den 1950er Jahren und während den 1960er Jahren verschwindet der Islamismus als gesellschaftlich und politisch organisierte Kraft fast vollständig. Die Erhebungen von Hama (1964) und Damaskus (1966) sind weniger sein Werk als die spontane Reaktion der von einigen religiösen Anführern begleiteten Händlern gegen die Massnahmen der Verstaatlichung der wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten. Die wiedererstehende islamistische Bewegung zu Beginn der 1970er Jahre hat weder die gleiche Natur, noch die gleichen gesellschaftlichen Ziele. Sie ist allen voran Ausdruck der Krise und des Scheiterns der politischen und wirtschaftlichen Nationalismen, sie rekrutiert zu dieser Zeit innerhalb dieser gleichen Mittelklassen, die bis anhin mit dieser Politik des sozialen Aufstiegs und diversen wirtschaftlichen Privilegien gut gefahren waren: Lehrer, Studenten, niedere Offiziere, Ingenieure… Es ist auch die Periode des Aufstiegs der Ölmonarchien und der auf der Rente basierenden Integration der Region. Diese Bewegung findet in dieser Mutation die Bedingungen ihrer Entwicklung, umso mehr, als dass die herrschenden Mächte, sei es in Syrien, in Ägypten (aber auch in Tunesien und Algerien), welche damals weitgehend zur Liquidation ihrer linksnationalistischen Tendenzen und Elemente übergegangen waren, in ihnen natürliche Bündnispartner entdecken.

Doch das Scheitern der selbstzentrierten wirtschaftlichen Entwicklung und die darauf folgende, öffnend genannte, liberale Politik haben zur Erscheinung einer enormen Masse an Ausgeschlossenen geführt, die sich ab Ende der 1970er Jahre in den Krawallen der grossen arabischen Städte zeigt. Und ab diesem Zeitpunkt überwinden die islamistischen Bewegungen das Stadium einer vertraulichen Existenz oder terroristischer Praktiken. Ab den 1980er Jahren wird der Islamismus zum Ausdruck aller Grenzen dieser Revolten, die er mehr oder weniger erfolgreich umrahmt, gegen eine staatliche Macht, gegenüber welcher er kein anderes Programm entgegenzusetzen hat, als das, welches sie schon anwendet. Die Islamisten sind das populistische Antlitz der Geschäfte machenden Bourgeoisie an der Macht, Ausdruck sowohl der Grenzen der Rentenökonomie als auch der Demonstrationen des Proletariats, welche diese Ökonomie und ihre Grenzen hervorrufen.

Die Frage ist nicht, wie Religion, Politik, Wirtschaft Individuen auf ihren einsamen Inseln miteinander verbinden, sondern zu verstehen, weshalb die Verbindungen zwischen besonderen Individuen, die durch eine determinierte Produktionsweise und in derselben definiert werden, die Form von Religion, Politik, Wirtschaft annehmen. Was sind die Grenzen dieser Krawalle, die den Islamismus als ihren synthetischen Ausdruck konstituieren? In der kapitalistischen Konstitution des Ausschlusses erscheinen die Entfremdung des Proletariers gegenüber der Gesamtheit der gesellschaftlichen Verhältnisse und seine eigene Reproduktion nicht als Produkt seiner eigenen Tätigkeit und die Entfremdung als widersprüchliches Verhältnis, das er zur Gesamtheit dieser Gesellschaft unterhält, sondern als inhärente Tatsache seiner Individualität, er ist der Arme. Da sie der Individualität inhärent geworden ist, löst sich die Trennung mit den anderen Individualitäten und der Gemeinschaft erst in einem Verhältnis auf, das diese Individualitäten transzendiert und sich ihnen gegenüber als radikal äusseres setzt. Die historisch-kulturellen Besonderheiten und die gesellschaftlichen Zwänge der Periode geben diesem Verhältnis nur als Religion, Kultur, Nation eine Form. In seinem Widerspruch mit den kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb welchen es als „ausgeschlossen“ reproduziert wird, bringt das Proletariat die inhärenten Grenzen dieser Bedingungen und Eigenschaften dieses Widerspruchs in Form der Religion hervor.

Die islamistischen Bewegungen der 1980er Jahre sind gleichbedeutend mit dem Zusammentreffen dreier gesellschaftlicher Prozesse: der Ratlosigkeit und der Marginalisierung der Mittelklassen gegenüber dem Liberalismus und der Öffnung aufgrund ihrer gesellschaftlichen Lage, die sie nicht als Kapitalismus kritisieren können, sondern als „Verwestlichung“, als Lebensweise und Kultur; des Scheiterns der Nationalismen und der Einrichtung der Integration durch die Rente mit den Golfländern als Mittelpunkt; „des sozialen Ausschlusses“ und der Vervielfachung der Armutskrawalle.

Solange die islamistische Bewegung nur Ausdruck des ersten dieser Elemente war, war sie beschränkt auf eine terroristische Praxis (eine im Gegensatz zum gegenwärtigen Terrorismus stets nationalistische Praxis) ohne grosse Perspektive: die Besetzung der Moschee in Mekka 1979, die Ermordung Sadats 1981. Die soziale Herkunft der Beschuldigten in der Affäre des Angriffs auf die Militärakademie von Heliopolis in Ägypten ist aussagekräftig: 42 Studenten, 17 Schüler der Militärakademie, 3 Soldaten, 4 technische Ingenieure, 1 Repräsentant liberaler Berufe, 3 Arbeiter. Die Erhebung der Stadt Hama in Syrien im Februar 1982 erlangte durch die gesellschaftlichen Eigenschaften Syriens eine grössere Bedeutung als die vorhergehenden Ereignisse: Bipolarität Syriens (zwischen Aleppo und Hama einerseits, Damaskus andererseits), Begegnung der marginalisierten Mittelklassen mit den Kämpfen der Händler. Durch die Zerstörung der Stadt ist eine gesellschaftliche Struktur zerstört worden.

Ohne sich zu verlieren, konnte diese islamistische Bewegung die Macht der herrschenden Bourgeoisie nicht in Frage stellen. Betrachtet man die islamistische Bewegung sowohl im Maghreb als auch im Nahen Osten als Kritik der herrschenden Ordnung, so verwechselt man einerseits den Ausdruck der Armut, den sie in ihrer Praxis und ihrer religiösen Sprache auszudrücken vermag und schon immer auszudrücken vermochte, und andererseits die Revolte gegen diesen Ausschluss, eine Revolte, welche die islamistische Bewegung stets bekämpfte und auf deren Grenzen und Scheitern sie floriert als politische und gesellschaftliche Anerkennung derselben. Als Produkt entwerteter Mittelklassen war es die historische Gelegenheit der islamistischen Bewegungen der 1980er Jahre, sich nach dem Scheitern der Staatsstreiche als Produkt und Quintessenz des Zusammenbruches des politischen und wirtschaftlichen arabischen Nationalismus, der Integration durch die Rente der Region mit den Golfstaaten als Mittelpunkt und v.a. des notwendigerweise konfliktreichen Aufbaus einer dualen, spezifisch kapitalistischen Gesellschaft wiedergefunden zu haben.

Es kommt nämlich Mitte der 1980er Jahre, nach dem Schnitt Mitte der 1960er Jahre und dem Scheitern des ersten terroristischen Islamismus Mitte derselben 1980er Jahre, zu einer neuen Wende in der Entwicklung der islamistischen Bewegungen. „Die herrschenden Regime in der muslimischen Welt haben, um den sie bedrohenden Brand der islamistischen Gruppen auszulöschen, andere Feuer angezündet, indem sie eine Reislamisierung ‚von unten‘ begünstigt haben. Sie haben die Entwicklung von Bewegungen zugelassen, die alle Freiheit hatten, die strengste Auslegung der Normen des Islams in allen Bereichen des alltäglichen Lebens zu predigen, jedoch eigentlich in politischen Fragen nicht intervenieren sollten. […] Diese Reislamisierung von unten, die seit der Mitte der 1980er Jahre ein beträchtliches Ausmass angenommen hat, ist weitgehend von Saudi-Arabien und Kuwait finanziert worden, sie sahen diesen konservativen, rigoristischen und, so glaubte man, die gesellschaftliche Stabilität garantierenden Pietismus mit einem wohlwollenden Auge.“ [19]

Diese von Kepel unternommene Analyse setzt diese „Reislamisierung von unten“ nicht in ein Verhältnis zu den städtischen Krawallen im Mittleren Osten. Für ihn haben diese Bewegungen nur zum Ziel, radikale Gruppen auf ihrem eigenen Terrain anzugreifen, als ob sie die hauptsächliche Bedrohung für „die herrschende Ordnung“ dargestellt hätten, als ob man letztendlich nicht in den Führungspositionen dieser radikalen Gruppen und dieser „Reislamisierung von unten“ die gleichen gesellschaftlichen Gruppen finden würde, als jene, welche im Terrorismus engagiert sind. Die Analyse bleibt, indem sie die Gründe des Erfolgs der Bewegungen ausser Acht lässt, machiavellistisch und instrumentalistisch, denn diese können nicht gänzlich mit dem aus dem Golf kommenden Geldsegen erklärt werden. Ausserdem erkennt die Analyse dieser Reislamisierung von unten ihr einen doppelten Aspekt (rebellisch und konservativ) an, doch nur um es zu konstatieren, diese beiden Aspekte werden nie artikuliert. Das gleiche gilt für einen sehr langen, einmal mehr in Le Monde vom 7. März 1991 veröffentlichten Artikel, wo diese Bewegung „die herrschende Ordnung stabilisiert und kritisiert“, ohne dass man weiss, wie sich diese beiden Aspekte artikulieren. In diesem Artikel scheint diese Dualität sogar das Resultat ihres Erfolges zu sein. In Tat und Wahrheit ist die Idee eines rebellischen Aspektes der islamistischen Bewegungen selbst zweifelhaft. Die islamistischen Bewegungen sind während den gesamten 1980er Jahren im wesentlichen eine Kraft der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung geblieben.

Die islamistischen Bewegungen überfluten die muslimische Welt vom Maghreb bis nach Indonesien, sie sind nicht eine Besonderheit des Mittleren Ostens, obwohl sie von Anfang an von den Golfstaaten politisch und finanziell unterstützt wurden, häufig mit dem Segen der USA. In diesem ganzen Gebiet hat die Entwicklung des Kapitalismus durch die Kolonialisierung, die Mandatsherrschaft und die Erschaffung des Staates Israel die traditionellen Gesellschaften zerstört. Die kapitalistische Modernisierung unter der Ägide des Kleinbürgertums hat im Rahmen des globalen Kapitalismus zur Katastrophe geführt, es ist nie fähig gewesen, aus dem Kapital die einzige Gemeinschaft zu machen, den demokratischen Treueeid gegenüber dem Staat zu erschaffen, die Figur des Bürgers hervorzubringen, des ausschliesslich in der Reproduktion des Kapitals atomisierten und integrierten Individuums. Diese Entwicklung basierte sogar teilweise auf der zuvor angesprochenen Dualität als doppeltes Leben des Arbeiters. Die regionale Integration durch die Rente in ihrem Scheitern überlässt das endlich besondere kapitalistische Individuum seiner Bedingung „als Ausgeschlossener“. Seit den 1950er Jahren folgt diese gesamte Region in unterschiedlichen Rhythmen dem selben Lauf. Alles in allem ist religiöse Formalisierung der Klassenkämpfe nichts, das spezifisch mit der muslimischen Welt assoziiert werden könnte; man denke an Indien, an Lateinamerika (Befreiungstheologie, Evangelisten), an Polen in den 1980er Jahren oder an einige Republiken der ehemaligen UdSSR.

Der Bürgerkrieg in Algerien, die Unfähigkeit der Hamas, eine politische Perspektive in Palästina zu definieren und v.a. die saudische Niederlage, welche der Golfkrieg in Wirklichkeit darstellt (was nicht im Widerspruch zur offensichtlichen irakischen Niederlage steht), sind gleichbedeutend mit dem Scheitern dieses politischen Islamismus.

Eine neue globale Veränderung zeichnet sich in Wirklichkeit seit Anfang der 1990er Jahre ab: das Verschwinden des Islamismus als nationales Projekt. Der gegenwärtige Islamismus ist das Resultat der Infragestellung des nationalen Rahmens für die Reproduktion der kapitalistischen Akkumulation und der widersprüchlichen Situation der Reproduktion der Arbeitskraft, die gleichzeitig den Ausbeutungsbedingungen und dem Arbeitszwang unterworfen ist, welche Teil eines globalen Zyklus des Kapitals sind, und, durch diese Tatsache selbst (Auflösung des nationalen Rahmens), auf die „Wiedererschaffung“ der Bedingungen und des Rahmens der „traditionellen“ Reproduktion verwiesen wird. Eine zufällige und explosive Begegnung zwischen einer globalen Integration und Abhängigkeit einerseits und andererseits der Wiedererschaffung einer „traditionellen“ Reproduktion, die jegliche innere (endogene) Finalität und Bedeutung verloren hat.

Es handelt sich um eine „Entnationalisierung“ des Islamismus, oder gar um seine „Deterritorialisierung“. In Pakistan muss man bis zur Eliminierung von Ali Bhutto (1977) zurückgehen, um diesen Prozess der „Entnationalisierung“ zu verstehen, der gleichbedeutend ist mit seinem Scheitern als politischer und „populistischer“ Islamismus wie er sich in den 1980er Jahren entwickelt hatte, die Jahre der saudischen Integration durch die Rente. Die von Zia-ul-Haq aufgegleiste Politik der Islamisierung ersetzt die unter Ali Buttho lancierten Entwicklungsprogramme. In den 1980er Jahren hat Pakistan noch Wachstumsraten von ungefähr 6% und profitiert von den Geldbeträgen der in die Golfstaaten ausgewanderten pakistanischen Arbeiter. Erst in den 1990er Jahren, d.h. nach dem Golfkrieg, der sowjetischen Niederlage in Afghanistan und dem Ende des Kalten Krieges, wird der Islamismus zu einer bedeutenden politischen Kraft in Afghanistan. Die islamistischen Organisationen füllen einmal mehr das vom Staat gelassene Machtvakuum. Pakistan widmet nur noch 3.5% seines Budgets der Bildung und der Gesundheit (38% der Verteidigung). „Millionen von Flüchtlingen, ein unkontrollierter Drogenhandel, der Kult der Kalaschnikow und die Kultur des Jihad sind das Erbe des Afghanistan-Krieges.“ [20] Pakistan ist mit der Tatsache konfrontiert, dass die Schaffung einer nationalen Unterordnung seiner Verschiedenheit sich als immer schwieriger erweist: eine Vorherrschaft der Punjabis, die besonders von den Sindhis, den Belutschen und den Muhajir von Karachi nur zähneknirschend hingenommen wird. Es handelt sich um ein Problem interner Kämpfe innerhalb der herrschenden Klasse: Die aus einer unternehmungslustigen kapitalistischen Klasse entstammenden Muhajir mussten sich der Macht des punjabischen Landadels unterordnen und die paschtunischen und belutschischen gesellschaftlichen Stammesstrukturen akzeptieren. Was uns jedoch hier gegenwärtig interessiert, ist die Tatsache, dass dieses Problem des Staatsaufbaus innerhalb der islamistischen Opposition selbst präsent ist, die nationalistische Tendenz wird von den Radikalsten bekämpft, für sie zählt die Umma viel mehr als die Nation.

Was zentral in dieser Bewegung des Zusammenbruches des Staatsaufbaus ist, ist das Verschwinden des staatlichen Nationalismus als Vermittlungsinstanz im „anti-imperialistischen Kampf“. Die Transformationen des Islamismus und das Scheitern des politischen Islamismus bezeugen diese Entwicklung (sogar im Sudan ist der Staat dabei, sich des nationalen Islamismus zu entledigen, er ist nun mit einem Islamismus konfrontiert, für welchen der nationale Rahmen anekdotenhaft ist, gleichzeitig lokalisiert er sich auf beschränkte Art und Weise und mit wechselnden Territorien - „Kriegsherren“).

„Diese neue Form des radikalen Islamismus resultiert aus einer gewissen Anzahl konstanter Akte des Scheiterns: dem Ende der Dritte-Welt-Ideologie, dem Bankrott des arabischen Sozialismus, der Sackgasse des politischen Islams, einhergehend mit der Erkenntnis, dass die offiziellen religiösen Autoritäten der arabischen Welt von den herrschenden Regimen ‚nationalisiert‘ worden sind.“ [21] Bin Laden verweigert sich „dem Islamismus in einem Land“ und hat keine nationale Strategie (die zentrale Stellung Saudi-Arabiens in seiner Strategie ist nicht das Resultat einer nationalen Strategie), seine Netzwerke bestehen aus Aktivisten, die das Scheitern der islamistischen Parteien in verschiedenen Ländern miterlebt haben. Es handelt sich also um eine innere (fast inhärente) Opposition gegen die Globalisierung, die sich auf ihrer Ebene und in den gleichen Begriffen wie sie verortet, sie konstituiert sich nicht einmal als Alternative zu ihr. Sie ist nicht ihr Widerspruch, sondern ihr Schatten. Was den „terroristischen“ Aspekt betrifft, sind die Aktionsformen an die neuen Formen der kapitalistischen Reproduktion als Herrschaft angepasst (daher kommt zumindest teilweise die religiöse Form). Es handelt sich nicht um eine Guerilla, die ein Territorium kontrolliert, und sogar das hypothetische „Endziel“ der Sezession existiert nur mangels Alternativen, als Resultat einer Art „Widerspruch“ (in Wirklichkeit eine Dualität) in der Daseinsberechtigung der Bewegung: Deterritorialisierung und Internationalisierung einerseits; „anti-imperialistische“ Revolte andererseits.

Bin Laden repräsentiert einen „abstrakten“ (d.h. deterritorialisierten) Islamismus. Seine Netzwerke entwickeln sich nach dem Scheitern des populären und nationalistischen Islamismus im Mittleren Osten, hauptsächlich in Ägypten (1997), woher die meisten seiner militärischen Führungskräfte und politischen Berater kommen. „Die Strasse“ ist nicht gegen die amerikanische Intervention in Afghanistan aufgestanden (einzig die Stadt Quetta, nur 200 km von Kandahar entfernt, erlebte am 8. Oktober 2001 eine aufständische Situation). Al-Qaida ist das Gegenteil der Gamma Islamijah (wovon einige ihrer Kader stammen, nach der „Niederlage“ 1997). Bin Laden ist in Afghanistan, da er am 18. Mai 1996 mit dem Einverständnis der Amerikaner vom Sudan in dieses Land ausgeschafft worden ist. Der Sudan war bereit, ihn in die USA oder nach Saudi-Arabien auszuschaffen, doch erstere konnten seine Verurteilung nicht garantieren, letztere wollten allen voran keinen Märtyrer. Weiter zu dieser „Deterritorialisierung“: Auf die militärische Niederlage der Taliban und der Truppen der Al-Qaida folgte keine Bewegung der Guerilla. Eine solche Bewegung entsprach weder der Ideologie noch der Praxis der Taliban und Al-Qaida, weder ihrem gesellschaftlichen Rückhalt, noch den sozialen Bedingungen in Afghanistan (kleine lokale Machthaber, die naturgemäss bereit sind, sich mit der momentan herrschenden Macht zu verbünden).

„Ab Beginn des amerikanischen Krieges in Afghanistan wurden diese Gebiete [die Stammesgebiete in Pakistan] von vielen als Orte betrachtet, die den ‚verlorenen Soldaten‘ Bin Ladens zum Zeitpunkt der Niederlage ein ideales Refugium bieten könnten. Besonders weil das Phänomen der relativen Talibanisierung der Grenzprovinz im pakistanischen Nordosten gewisse Paschtunen dazu hätte bringen können, sich solidarisch mit den Anhängern Al-Qaidas zu zeigen. Die Realität ist allerdings etwas nuancierter, denn der nach dem 11. September vorherrschende Kontext hat die Kräfteverhältnisse verändert. ‚Ich dachte, die Stämme würden nicht auf die Avancen der Regierung eingehen. Aber nein, sie arbeiten mit den Behörden zusammen. Die Stammesführer haben verstanden, dass es nach der Niederlage der Taliban und Al-Qaida nutzlos für sie war, von der amerikanischen Macht besiegte Leute zu unterstützten. Sie haben nicht das geringste Bedürfnis, dass der Krieg zu ihnen kommt‘, sagt Pareshan Khattak, ehemaliger Rektor der Universität von Peschawar und Anthropologe. Das bedeutet nicht, dass die Stämme plötzlich auf ihre Rechte verzichtet haben und von nun an stillschweigend die ‚Einmischung‘ der Regierung akzeptieren. ‚Doch sie wissen nun, woher der Wind bläst‘, sagt ein Funktionär in den Stammesgebieten. ‚Die meisten Stammesführer stehen den Taliban nicht unbedingt nahe und sind deshalb nicht immer bereit, den maleks, die Stammesführer, die monatlich von der Regierung bezahlt werden: das Geld.‘“ [22]

Saudi-Arabien hatte aus seiner Politik der Unterstützung des Islamismus ein Werkzeug im Kampf gegen die Welle des arabischen Nationalismus gemacht. Die fundamentalistischen Bewegungen haben sich allerdings seit dem Golfkrieg gegen die saudische Politik gewendet. Der Golfkrieg und das Ende des Kalten Krieges sind gleichbedeutend mit einem Bruch im Islamismus. Eine neue Art des Islamismus ist während dem Kampf gegen die UdSSR in Afghanistan entstanden. Ein erdloser Islamismus, wovon der Terrorismus die angemessene Aktionsform wird. Der Terrorismus der am Ende des antisowjetischen Krieges in Afghanistan gegründeten Al-Qaida ist fast nur gegen die amerikanischen Interessen gerichtet, er ist in seiner Form der Rekrutierung und seiner Identität transnational, er handelt im Namen „der Umma“, die auf den fünf Kontinenten verteilte muslimische Nation, die Anhänger werden in den Mittelklassen rekrutiert, sie sind häufig gebildet in westlicher Kultur. Dieses nebulöse Netzwerk wird von keinem Staat instrumentalisiert, es hat keine strukturierte populäre Basis [23]. Ein globaler Terrorismus in seiner Organisation sowohl hinsichtlich seiner Perspektive als auch seiner Ziele. Und er hat keine präzisen Forderungen. Al-Qaida ist eine Organisation, die perfekt zum „Zeitalter der Globalisierung“ passt, sie brauchte nur eine leere Hülle, einen leeren Staat, und die Auflösung der Staatsform kann man in weiten Teilen der Welt antreffen.

Die mangelnde Unterstützung durch die „Strasse“ in den arabischen Ländern für die von Bin Laden lancierte „Herausforderung“ gegenüber den USA ist problematisch. Es gab keine grossen Demonstrationen (ausser in den nördlichen Städten Pakistans, wo viele afghanische Flüchtlinge leben), doch die stillschweigende Unterstützung ist massiv, auch wenn sie keine politische Form annehmen kann. Dieser Widerspruch kann (jenseits der Effizienz der Repression in den arabischen Ländern und Pakistan) durch die Tatsache erklärt werden, dass diese Unterstützung nicht in Form des Nationalismus wie jene für Saddam und den Irak ausgedrückt und/oder vereinnahmt werden kann; sie kann auch nicht in den Begriffen eines sozialen Kampfes ausgedrückt werden. Bin Laden ist weder ein Nationalist, noch ein politischer Islamist (im Sinne der Bewegungen wie dem FIS in Algerien, der Muslimbruderschaft in Syrien, in Ägypten und in Jordanien, der Hamas in Palästina, der Refah in der Türkei oder der Gamma Islamijah in Ägypten), er versucht nicht, in einem bestimmten Land (nicht einmal Saudi-Arabien) die Macht zu ergreifen. Er lässt sich in einem Land ohne Staat nieder (Afghanistan der Taliban) oder baut in einem solchen (Somalia) Lager auf. Seine Opposition gegen die kapitalistische Globalisierung unter amerikanischer Führung ist nicht minder diffus und „deterritorialisiert“ als sie selbst. Die territoriale Verankerung seines Handelns ist nie abgesteckt (endlich), er definiert sie nicht: Afghanistan, Saudi-Arabien, die muslimischen Länder des Roten Meeres von Indonesien bis zum Süden der Philippinen, aber auch die ehemaligen sowjetischen Republiken Zentralasiens, die chinesische Region Xinjiang, das Horn von Afrika, die europäischen oder amerikanischen muslimischen Gemeinschaften… Das Ziel der Sezession ist eine weltweite Sezession, sie ist nur mangels Alternativen territorialisiert. Sie situiert sich innerhalb der kapitalistischen Globalisierung und ist nur ihre Kehrseite.

Die nationalen politischen islamistischen Bewegungen „erfüllen die Erwartungen einer entweder durch das Exil, das Studium im Ausland oder der Auswanderung ‚deterritorialisierten‘ und internationalisierten Jugend nicht, sie erkennt sich in keiner nationalen Sache wieder. […] Verschiedene Formen von Religiosität können eine Antwort auf die Bedürfnisse einer globalisierten muslimischen Bevölkerung sein, doch der Neofundamentalismus eignet sich besonders dafür, da er das, was als Kulturverlust erlebt wird, in einen Diskurs der Neugründung eines von Bräuchen und Traditionen gereinigten universellen Islams verwandelt, der somit auf alle Gesellschaften anwendbar ist. Er definiert die globale Welt als eine virtuelle Umma, welche nur darauf wartet, durch die Anstrengung aller Muslime verwirklicht zu werden. Er richtet sich nicht an wirkliche Gemeinschaften, sondern an isolierte Individuen, die zu ihrem Glauben und ihrer Identität zurückkehren. Die Neofundamentalisten sind jene, welche es geschafft haben, die Globalisierung zu islamisieren, indem sie in ihr die Voraussetzungen für einen Wiederaufbau der universellen muslimischen Gemeinschaft gesehen haben, selbstverständlich unter der Bedingung, die herrschende Kultur zu stürzen: die Verwestlichung in ihrer amerikanischen Form. Doch indem sie das tun, bauen sie nur ein Universelles auf, das als Spiegel von Amerika dient, sie träumen eher von einem McDonalds der halal ist als von einer Rückkehr der Küche der wirklichen damaligen Kalifen.“ [24]

Ein Ereignis

Die USA sind nur der Feind, weil sie die Universalität darstellen und „korrupte“ Regime auf der ganzen Welt unterstützen. Der Angriff auf das World Trade Center und das Pentagon hatte unmöglich eine Schwächung der USA selbst zum Ziel, es ging eher darum, zu zeigen, dass sie nicht unverletzlich sind. Die Zerstörung einer Faszination. Die Einführung einer Sezession, die nicht territorial ist (nur mangels Alternativen wird sie es), sondern allen voran in den Verhaltensweisen, den Haltungen, den Mentalitäten. Diesbezüglich erkennt man die spezifisch terroristische Dimension dieser Aktion, ihre Singularität.

Von diesem Standpunkt aus betrachtet, ist der am 3. November in Le Monde erschienene Text von Baudrillard besonders aufschlussreich. Natürlich muss man seine ganze psychoanalytische Problematik vergessen, die aus „der Allergie“ gegen eine universelle Herrschaft etwas nicht minder Universelles macht, das einem invariablen und inhärenten Trieb jedes Individuums entstammt. Der grundlegende Punkt dieses Textes liegt im Thema „der mit sich selber ringenden Globalisierung“. Dort, wo Baudrillard in die Psychoanalyse versinkt, vermischt und identifiziert er die terroristische Form mit ihren Ursachen. Die terroristische Form kommt von dem, was er sagt, „der mit sich selber ringenden Globalisierung“; doch die Ursache ist nicht in einer konzeptuellen Bewegung zwischen dem „Globalen“ und dem „Einzelnen“ zu finden. Hier sind wir mitten in der Tautologie. Baudrillard arbeitet sehr wohl die terroristische Besonderheit dieser Aktion heraus: Sie übersteigt die gewöhnliche Problematik des Kräfteverhältnisses, sie ist der „Heimfall“ der Erscheinungen der Globalisierung und der amerikanischen Macht gegen sie selbst, sie ist ihr „getragener Schatten“; sie ist „spektakulär“ in jenem Sinne, als dass die Realität nicht die Fiktion übersteigt, sondern zu ihrem höchstem Stadium wird (die diesem Ereignis gewidmete Antwort der Marvel-Gruppe und ihrer Superhelden in ihrer Sondernummer „A Moment of Silence“ ist diesbezüglich sehr aussagekräftig). Doch Baudrillard schafft es nur mithilfe hohler Formeln, das zu definieren, was er einen „Selbstmord der Globalisierung“ nennt: „Es ist die Welt selbst, die gegen die Globalisierung Widerstand leistet“; „heutzutage ist sie [die einheitliche Weltordnung] virtuell an ihr Ende gekommen, ringt mit den überall im Kern des Globalen selbst diffusen antagonistischen Kräften, in all ihren gegenwärtigen Krämpfen. Fraktaler Krieg aller Zellen, aller Singularitäten [von uns unterstrichen], die in Form von Antikörpern revoltieren“; „dieser Antagonismus ist überall, er ist innerhalb uns aller“. Die von der Globalisierung ausgelösten Brüche und Antagonismen werden also zu einem „Selbstmord“ der Globalisierung, was sinnlos ist. Als ob ich von der Tatsache, dass das Kapital ein prozessierender Widerspruch ist, auf einen „Selbstmord des Kapitals“ schliessen würde. Was in dieser Art von Räsonnement verschwindet, ist die besondere Realität der Pole eines Widerspruchs, die Totalität hat alles subsumiert und zerteilt sich unendlich in jedes ihrer Elemente, sie legt sich nicht mehr besonders in widersprüchlichen Polen dar, sondern löst sich in einem reinen „Heimfall“ gegen sich selbst auf. Baudrillard sieht die Singularität der terroristischen Aktion nur, indem er ihr jeglichen „Sinn“ verweigert, jegliche mögliche „Interpretation“. Ein solcher Ansatz kann uns die Singularität der Aktion vom 11. September liefern: Eine Aktion, welche die Globalisierung nicht verlässt, sondern nur ihre Kehrseite ist, und weil sie nur ihre Kehrseite ist, hat sie ihr gegenüber keine reale Macht. Der Terrorismus ist also die Existenz dieses Machtvakuums. Er ist, das stimmt, der „Heimfall“ der Globalisierung, doch er ist somit nur das und genau deswegen ist er nur Terrorismus: Wille, die Regel des Spiels innerhalb des Spiels selbst zu ändern.

Baudrillard glaubt an das, was er schreibt. Die Wirklichkeit ist nur noch das Prinzip der Wirklichkeit und das Prinzip ist verloren gegangen. Wie Anselm Jappe in seinem Buch über Debord ist Baudrillard ein radikaler Anhänger der Theorie des Spektakels. Er nimmt also die Aktion des 11. Septembers als Grund für den Beginn der Rezession in den USA für bare Münze: „Das System verinnerlicht gewissermassen seine eigene Niederlage.“ Sogar insofern, als dass die Stärkung der Polizeikontrollen als Niederlage des politischen Liberalismus verstanden wird. Jeglicher amerikanischer Unternehmensführer oder jegliche politische Beraterin von Tony Blair sehen darin, weit pragmatischer, nur eine sich eröffnende Gelegenheit.

In der terroristischen Aktion verschwinden die besonderen Wirklichkeiten der Pole des Widerspruches der kapitalistischen Produktion sehr wohl, denn, wie Baudrillard schreibt: „Das übersteigt bei weitem den Hass auf die Weltmacht unter den Enterbten und den Ausgebeuteten, unter jenen, welche auf die falsche Seite der Weltordnung gefallen sind.“ Dieser sehr wohl reale Hass und die sehr wohl reale Opposition werden als „innerer Bruch der Globalisierung“ zusammengefasst, d.h. als diesen überall seienden Antagonismus („in jedem von uns“) zwischen der Universalität der Globalisierung und der Singularität jedes einzelnen und der Welt. Man könnte sich damit begnügen, zu sagen, dass Baudrillard in den Begriffen einer Globalisierung räsoniert, als ob diese in sich selbst eine gesellschaftliche Realität sein könnte, ohne sie als Form der Entwicklung der kapitalistischen Akkumulation zu charakterisieren. Diese Nichtbeachtung des spezifischen Objekts der terroristischen Aktion führt dazu, dass das Ereignis in der Analyse verschwindet. Der Terrorismus ist eben genau das Resultat der möglichen Existenz einer Kritik der Globalisierung, die sie nicht als kapitalistische Produktionsweise versteht, und die mögliche Existenz dieser Kritik ist ein Resultat der gegenwärtigen Modalitäten der Opposition gegen diese Produktionsweise, die innerhalb der Akzeptierung dieses unüberwindbaren Horizonts verortet ist. Man findet hier in und durch die selbstverständliche Akzeptierung der kapitalistischen Produktionsweise den „Heimfall“ von Baudrillard. Dieser „Heimfall“ geniesst ein prosaisches Dasein im radikalen Demokratismus, ein heroisches im Terrorismus. Im einen wie dem anderen Fall wird die Globalisierung für sich selbst gesetzt (d.h. als ihre eigene Vermittlung), als Ding an sich, Verhältnis zwischen dem „Globalen“ und dem „Einzelnen“. Es sind sehr wohl der Hass und die Opposition der Ausgebeuteten, die damit überwunden werden, denn dieser Hass und diese Opposition können in der vorherrschenden Reproduktion der kapitalistischen Produktionsweise nur innerhalb derselben existieren, insofern als dass der Angriff gegen diese Welt für jene die sie angreifen nicht ihre Infragestellung, ihre Selbsttransformation ist. Somit geht die „Unterstützung der Strasse“ nicht weiter als eine stillschweigende Unterstützung, denn sie ist, durch das Wesen dessen selbst, was unterstützt wird, getrennt von den wirklichen Ausbeutungssituationen. Wir kommen immer wieder zurück auf die Dynamik und die Grenzen dieses Kampfzyklus. Der Terrorismus ist in diesem Fall die von der Globalisierung konstruierte Grenze des Hasses und der Opposition „jener, welche auf die falsche Seite gefallen sind“. Die Tatsache, dass er als „Staatsterrorismus“ existiert, als Resultat einer kapitalistischen Erpressung zwischen „Staaten“, ist einer der ach so normalen Figuren des Übergangs, die er annehmen kann, ohne dass er sie ausschöpft.

Restrukturierung/Abtrennung/Polizei

Umgekehrt und symmetrisch dazu sind die amerikanischen Interventionen als Aktivitäten Teil der Restrukturierung als Konterrevolution im Verhältnis zum früheren Kampfzyklus, nicht dass Al-Qaida oder die FARC in Kolumbien revolutionäre Organisationen wären, sondern als Zerstörung des gesellschaftlichen Existenzrahmens des früheren Zyklus. Es handelt sich im wesentlichen um den nationalen Rahmen, d.h. um die Verbindung zwischen Kapitalakkumulation und Reproduktion der Arbeitskraft, welche diesen Rahmen definiert und dieser im Gegenzug nachhaltig sicherte. Die Intervention in Afghanistan hat also für die USA keinen lokalen Sinn, man interveniert nicht aus „afghanischen“, sondern aus allgemeinen, globalen Gründen in Afghanistan. Die Intervention in Afghanistan kann also nur als erste Etappe einer Intervention gerechtfertigt werden, welche andere Staaten (Sudan, Somalia, Jemen, Philippinen, Indonesien, Erpressungsversuche gegenüber Saudi-Arabien usw.) oder sogar einfache bewaffnete oder unbewaffnete Organisationen, welche für den kapitalistischen freien Warenverkehr ein Risiko darstellen können (IRA, FARC, Abu Sayyaf…) betreffen oder bedrohen wird. Im gegenwärtigen Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise (hinzu kommt die Bedeutung der Region im Falle des Mittleren Ostens: die berühmten Erdölfragen, von denen trotz allem gesprochen werden muss) kann keine Sezession toleriert werden, sie hat überhaupt keinen Sinn mehr, was nur eine andere Art und Weise zu sagen ist, dass sie nicht toleriert werden kann. Das kann nirgends toleriert werden und noch weniger in so wichtigen Regionen wie im Mittleren Osten oder in Südostasien, drittwichtigster Handelspartner der USA (2000 waren dort die amerikanischen Investitionen sechs Mal höher als in China).

Die Interventionsformen sind jene der Disziplin. Obwohl das Hauptresultat des Kapitals die Reproduktion der Entgegensetzung von Proletariat und Kapital ist, ist es nicht selbstverständlich, dass sich aus dieser Entgegensetzung ipso facto das erste Tauschmoment zwischen Kapital und Arbeit (Kauf/Verkauf der Arbeitskraft) ergibt. Vom Roten Meer bis nach Indonesien ist das Problem nicht ein vermeintliches Chagrinleder der kapitalistischen Entwicklung, sondern im Gegenteil die enorme, spezifisch kapitalistische Entwicklung, die dort in den letzten 25 Jahren stattgefunden hat. Die Situation der Arbeitskraft ist dort grundlegend die selbe wie in weiter entwickelten Gebieten: Die Arbeitskraft existiert gegenüber dem Kapital als globale gesellschaftliche Arbeitskraft. Doch während sie in den entwickelten Gebieten global vom Kapital gekauft und individuell benutzt wird, gibt es in den neuen Peripherien keinen globalen Kauf, deshalb ist die Disziplinierung der Arbeitskraft bedeutend [25]. Die Disziplin „verwaltet“ die Brüche auf der Ebene des dritten Moments der Ausbeutung, sie ist in Anbetracht eines in einen „Armen“ verwandelten Proletariers, in Anbetracht einer einfachen Forderung nach Reichtum, Begehrens für oder Hass auf die USA notwendig.

Die Aussenpolitik der USA ist von einem „neuen unilateralen hegemonischen Kurs“ geprägt, weil mit dem Afghanistan-Krieg der Kalte Krieg wirklich geendet hat. Die USA bereiten nach dem 11. September eine planetarische Antwort vor, für welche es nur noch inneres Chaos gibt. Der Golfkrieg war noch ein von zwischenstaatlichen Verhältnissen geprägter Krieg. Die USA verkünden nun offen, dass überall auf der Welt zur Erreichung ihrer Ziele Gewaltanwendung notwendig und legitim ist, es geht natürlich nicht darum, sich darüber zu empören, sondern zu verstehen, was neu ist an diesem Diskurs, d.h. die von ihm abgedeckte neue Realität, die dazu führt, dass die amerikanische Armee nun in Kandahar oder Mogadischu wie in Los Angeles interveniert. Eine neue Realität, die dazu führt, dass sich die Amerikaner trotz der russischen Opposition in den Republiken Zentralasiens niederlassen, trotz den chinesischen Befürchtungen in der muslimischen Provinz Xinjiang, die nahe amerikanische Präsenz erschüttert die „Gruppe von Schanghai“ (Russland, China, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan), welche zum Ziel hatte, der amerikanischen Präsenz in Zentralasien etwas entgegenzusetzen. Die amerikanische Präsenz in Kirgisien wird offen so präsentiert, dass sie darauf ausgelegt ist, „lange Jahre“ zu dauern, der Stützpunkt von Manas ist ein „Angelpunkt der Observation in Zentralasien“. Gleichzeitig wird die amerikanische Präsenz in Somalia und den Stützpunkten Omans und Bahrains gestärkt. In den Philippinen ist die Aufmerksamkeit v.a. auf die Gruppe Abu Sayyaf gerichtet, aber auch auf die kommunistische „Neue Volksarmee“ (NPA) mit ihren städtischen Kommandos, die Bedrohung Singapurs verpflichten die USA zu einer massiveren Präsenz in Südostasien, trotz dem offensichtlichen Zögern in Anbetracht einer direkten Intervention in Indonesien (das schwache Glied des „anti-terroristischen Kampfes“ in der Region).

Die Niederschlagung der Sezession ist gleichbedeutend mit der Vereinnahmung der Kontrolle und gesellschaftlichen Reproduktion des Islamismus. Nicht nur seines Aspektes des „Wohlfahrtsstaates“, sondern auch seiner Fähigkeit, die kleine Warenproduktion und ihre Netzwerke zu kontrollieren, zu besteuern und ihre Produkte zu verteilen. Vom Kaspischen Meer bis nach Wladiwostok wuchert die obszöne Lebendigkeit des Werts durch alle Produktionen und allen Handel, legal oder nicht. Um die Kosten des Krieges und der Unterstützung für die Mudjahedin zu tragen, haben der ISI (pakistanischer Geheimdienst) und die CIA Hunderte von Laboratorien zur Verarbeitung von Heroin installiert, die Mudjahedin hatten ihrerseits eine „Revolutionssteuer“ durchgesetzt und den Bauern die Anweisung gegeben, Opium anzupflanzen. Zwar hat das Regime der Taliban den Opiumanbau ausgemerzt (vier Jahre nach ihrer Machtergreifung und womöglich, um zu wichtig gewordene Vorräte loszuwerden), doch sie begnügten sich damit, den (auf 50 Millionen Dollar pro Jahr geschätzten [26]) Opiumhandel zu besteuern, genau wie alle anderen Sektoren illegalen Handels (Waffen, wertvolle Edelsteine – etwa 75 Millionen Dollar [27]) und waren nicht in den höheren Schichten des Handels vertreten. In Tadschikistan sind die in die Regierung aufgenommenen islamistischen Anführer des Bürgerkrieges zu Drogenbaronen geworden. „Die als einzige Unterstützung des Regimes stets präsente russische Armee spielt mit ihren Flugzeugen eine Schlüsselrolle im Heroinhandel.“ [28]

Die gesellschaftliche „Vereinnahmung“ des Islamismus kann allerdings problematisch sein (Bildung, Frauen…). Nach der Einstellung der Unterstützung für die Taliban und der Disziplinierung der radikalen islamistischen Tendenzen wischt Musharraf (Präsident Pakistans) die seit 1977 von Zia-ul-Haq ins Werk gesetzte politische Islamisierung in seiner am 12. Januar 2002 gehaltenen Rede vom Tisch (die Niederlage der Taliban ist zu diesem Zeitpunkt offensichtlich) und definiert Pakistan als „einen islamischen, fortschrittlichen und dynamischen Wohlfahrtsstaat“ und, während er gleichzeitig jene Gruppen angreift, „welche einen Staat im Staate geschaffen und die Macht der Regierung herausgefordert haben“, bedankt er sich bei den Madrassas für ihre „exzellenten Massnahmen ohne staatliche Unterstützung zum Wohle der Enterbten“ [29]. Pakistan ist seit dem Beginn der 1980er Jahre ein wichtiger Lieferant der multinationalen Firmen für billige Produkte: Textilien, medizinisches Material, Lederwaren, Teppiche für Ikea, Konfektion für Wal-Mart, Heimtextilien aus Baumwolle für die Galeries Lafayette, Carrefour, Auchan, Leder für die Schuhe von Eram, Fussbälle für Adidas, Nike, Puma.

Der Terrorismus von Bin Laden ist in Wirklichkeit mit einer bedeutenden wirtschaftlichen Frage verbunden, jener der gegenwärtigen Akkumulationsweise des Kapitalismus: extensive oder intensive Phase. Die Unterscheidung dieser beiden Akkumulationsweisen ist nur teilweise mit den beiden Extraktionsweisen des Mehrwerts verbunden. Obwohl die Extraktion des Mehrwerts in ihrer relativen Weise weitgehend vorherrschend ist, ist sie nie ausschliesslich und zudem kann sie sich selbst entweder als Selbstzentrierung auf die schon am weitesten entwickelten Gebiete oder als Ausbreitung modellieren. Die enorme Plünderung („Planet der Slums“) ist paradoxerweise gleichbedeutend mit einer sich realisierenden Ausbreitung der intensiven Akkumulation. Die Theorie der kapitalistischen Akkumulation und der auf dem Kapital als „Chagrinleder“ gegründeten Reproduktion der Produktionsverhältnisse kann der Kritik nicht widerstehen. In dieser Theorie wird die Dualität der kapitalistischen Welt (entwickelt/unterentwickelt, um es extrem zu vereinfachen) nicht als systematisch betrachtet, obwohl das Entwickelte fast immer als das „Nicht-Entwickelte“ erschaffende und manchmal sogar als das es reproduzierende verstanden wird, wird es nie als es notwendigerweise für sich selbst reproduzierend verstanden; ausserdem betrachtet diese „Theorie des Chagrinleders“ das, was widersprüchlich ist in der kapitalistischen Akkumulation, als Zeichen ihres Scheiterns, und nicht gleichzeitig als Zeichen ihrer Dynamik; zu guter Letzt ist es nur eine objektivistische Theorie über Verhältnisse zwischen Kapitalfraktionen. Die Globalisierung ist nicht ein Ölfleck auf einem gegebenen Raum, sondern eine Akkumulationsstruktur, eine Konstruktion des Raumes wie die Geographen sagen würden. Eben genau weil die „Plünderung“ gleichbedeutend mit einer Ausbreitung der intensiven Akkumulation ist, gibt es keine Dritte-Welt-Ideologie mehr, welche nur die Frustration eines selbstzentrierten Kapitals war, deshalb ist der Terrorismus auch deterritorialisiert, trotz des (absolut notwendigen und absolut irrealen) sezessionistischen Zieles, er verortet sich auf der gleichen Ebene wie sein Gegner. Die Globalisierung bringt ihren Gegner auf der gleichen Ebene der abstrakten Universalität hervor: das Kapital/die Religion. Der polizeiliche Aspekt des amerikanischen Interventionismus besonders und des westlichen allgemein ist kein Anzeichen der zunehmenden Zurückgezogenheit des „Nordens“ auf sich selbst. In diesem Interventionismus ist eine Beschleunigung der Globalisierung am Werk, eine Disziplinierung im Rahmen eines doppelten Abgleitens der globalen Reproduktion des kapitalistischen Produktionsverhältnisses, von der wir zu Beginn dieses Textes sprachen: Abtrennung zwischen einem Abgleiten der Reproduktion der Verwertung und der Akkumulationsbedingungen nach „oben“ und der Reproduktion der Arbeitskraft und der Bedingungen ihrer Verfügbarkeit und ihrer Mobilisierung nach „unten“. Obwohl dieser Prozess uns den Schlüssel für die staatliche Auflösung liefert, kann er dennoch nicht ohne eine teilweise Wiederverstaatlichung gewisser Regionen weitergehen, welche seit 25 Jahren kapitalistische Entwicklung erduldet haben. Diesbezüglich ist die Frage des „Chagrinleders“ eines der wenigen Themen des Textes „Septembre gris“ [30], worüber man diskutieren kann, ein Thema, das schon im Text über Serbien präsent war.

Wir sind in eine merkwürdige kapitalistische Welt eingetreten, in welcher die Produktionsweise, je mehr die Reproduktionsweisen der Arbeitskraft sich von den „theoretischen Regeln“ der reellen Subsumtion zu entfernen scheinen, umso mehr total und überall spezifisch kapitalistisch wird.

Théorie communiste, Nr. 18, Februar 2003.

Übersetzt aus dem Französischen von Kommunisierung.net


[1„Crise du golfe: les changements stratégiques“, Fondation pour les études de défense nationale, 1990, S. 62.

[2Alain Joxe, Le Cycle de la dissuasion. 1945-1990, Paris, La Découverte, 1990.

[3Ebd., S. 284 und S. 287-290.

[4Le Monde vom 5. Dezember 2001.

[5Ebd.

[6Ebd.

[7Habib Haider, „Afghanistan, agriculture d‘abord“ in Le Monde.

[8Olivier Roy in Le Monde vom 3. April 2001.

[9Siehe Pierre Centlivres, „Exil, relations interethniques et identité dans la crise afghane“ in Olivier Roy (Hg.), Revue du monde musulman et de la Méditerranée, Nr. 59-60: Des ethnies aux nations en Asie centrale, 1991.

[10Ebd.

[11Ebd.

[12Ebd.

[13Bruno Philip in Le Monde vom 11./12. März 2001.

[14Le Monde vom 22. Oktober 2001.

[15Erklärung von Bin Laden in Peter Bergen, Holy War Inc., New York, Free Press, zitiert in Le Monde diplomatique vom Oktober 2001.

[16Siehe Théorie communiste, Nr. 11, Dezember 2002.

[17Ebd.

[18„Ben Laden, la vérité interdite“, Zusammenfassung und Auszüge in Le Monde vom 13. November 2001.

[19Gilles Kepel in Le Monde vom 11. Januar 1991.

[20Le Monde.

[21Ebd., Januar 2002.

[22Le Monde.

[23Siehe ebd., November 2001.

[24Olivier Roy, „L‘islam au pied de la lettre“ in Le Monde diplomatique, April 2002.

[25Siehe „L‘oppression comme moment de l‘exploitation“ in Roland Simon, Fondements critiques d‘une théorie de la révolution, Paris, Senonevero, 2001, S. 653 f.

[26Siehe Le Monde vom 4. November 2001.

[27Siehe ebd.

[28Le Monde vom 16. September 2001.

[29Le Monde vom 15. Januar 2002.

[30Siehe Gilles Dauvé, Karl Nesic und J-P Carrasso, „Grey September“, 2001.